Unser Statement zur aktuellen Situation um Corona


Hamsterkäufe und Streitigkeiten um Klopapier, Schul- und Unischliessung und das Verbot, am Wochenende in den Clubs und Bars wie sonst bis zur Besinnungslosigkeit zu feiern – um kaum mehr scheint es im Moment zu gehen. Eher wenig ist zu lesen von denen, welche in der Gesundheitsversorgung schon oft genug nicht ausreichend mitgedacht werden: nämlich illegalisierte Menschen, die Geflüchteten in den Massenunterkünften in deutschland (und an den Grenzen zu europa) und nicht zuletzt die Menschen in den Knästen und Psychiatrien.

Während in Italien seit einer Woche in rund 30 Knästen Revolten ausgebrochen sind und der Iran nach eigenen Angaben 70.000 Gefangene (und jetzt nochmal 10.000, 19.3.20) freigelassen hat (vgl.: https://www.aljazeera.com/news/2020/03/inmates-die-prison-riots-coronavirus-rules-italy-200309125813658.html,https://www.reuters.com/article/us-health-coronavirus-iran/iran-temporarily-releases-70000-prisoners-as-coronavirus-cases-surge-idUSKBN20W1E5), bleibt es hier erstaunlich ruhig rund um das Thema. Die Überbelegung, welche zusammen mit dem Besuchsverbot in Italien zum Ausbruch der Revolten führte, ist zwar mit der Situation in deutschland nicht vergleichbar- die Besuchsregelungen wurden aber auch hier eingeschränkt, soweit, dass es z.T. selbst Anwält_innen nicht ermöglicht wird, die Gefangenen zu besuchen (vgl.: https://www.morgenpost.de/berlin/article228694485/Derzeit-keine-Haftantritte-fuer-nicht-gezahlte-Geldstrafen.html).
Einzelne Bundesländer ergreifen unterschiedliche Massnahmen: Wie in Berlin die Ersatzfreiheitsstrafe auszusetzen, ist zwar ein guter erster Schritt, dies scheint aber aufgrund der aktuellen Lage nicht ausreichend. Wie lässt es sich rechtfertigen, dass Menschen, welche oft aufgrund der Situation in Haft sowieso schon an chronischen Erkrankungen leiden, auf engstem Raum zusammengepfercht bleiben müssen? Ganz zu schweigen von der tagtäglichen Unterversorgung durch medizinisches Personal in den Knästen, welches, wenn vorhanden, oft schon mit der „normalen“ Alltagssituation überlastet ist (vgl.: https://www.nwzonline.de/politik/niedersachsen/lingen-hannover-justiz-niemand-mehr-will-haeftlinge-versorgen_a_50,3,2774130923.html).
Haftanstalten sind aufgrund der menschlichen Enge Infektionsherde; die Gefangenen sind aufgrund zahlreicher Vorerkrankungen und angeschlagener Gesundheit eine Risikogruppe; und sie leiden schon bei “Normalbedingungen” unter der medizinischen Unterversorgung. Das bedeutet, dass eine Verbreitung des Virus in der Gefangenenpopulation nur eine Frage der Zeit ist und zahlreiche Tote zur Folge haben wird. Die Gefangenen-Gewerkschaft GG/BO fordern daher eine Freilassung der Gefangenen. Dies ist keine utopische Forderung, sondern muss im Gegenteil sofort umgesetzt werden, um Leben zu retten.(vgl.: https://ggbo.de/corona-ufeld/ )

Auch in den Lagern für Geflüchtete am Rand und innerhalb der Festung Europa zeigt sich, dass die Sorge um eine funktionierende Gesundheitsversorgung nicht für alle Menschen gilt. Im Lager von Moria auf Lesbos gibt es gerade einmal zwei Ärtz_innen und ein_e Psycholog_in pro Schicht – für über 20.000 Menschen. Hilfsorganisationen warnen vor einem Massensterben. Unter anderem Ärzte ohne Grenzen fordern die sofortige Evakuierung aller Lager auf den griechischen Inseln und geeignete Unterkünfte für die Geflüchteten. In den Camps selbst kann es keine Maßnahmen geben, die auch nur annähernd ausreichend für die Krise wären. (vgl https://taz.de/In-der-Corona-Krise/!5669240/ , https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/lesbos-samos-corona ) Es kann nicht sein, dass weiterhin Menschen abgeschoben werden – zumeist in Krisen- und Kriegsgebiete, die nicht zuletzt aktuell mit einem schlechten Gesundheitssystem zu kämpfen haben. Während manchen Menschen geraten wird jede Reisetätigkeit aus Gesundheitsschutzgründen einzuschränken, werden andere Menschen gezwungen das Land zu verlassen und sich in eine bedrohliche Lage zu begeben. Da wird einmal mehr klar, wie staatlich unterschieden wird zwischen schützenswertem und nicht-schützenswertem Leben. Für ein menschenwürdiges Leben für Alle braucht es ein sofortiges Abschiebestopp und die Schließung aller Abschiebeknäste!
Die Lager innerhalb Deutschlands müssen sofort geschlossen werden und Geflüchete ein Recht auf eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen bekommen. Die Belastung in Sammelunterkünften ist hoch, Rückzugsraum ist kaum gegeben. Wenn dann, wie vor kurzem im thüringischen Suhl, eine Person positiv auf Corona getestet wird und kein_e Bewohner_in das Lager mehr verlassen darf, wird die Situation komplett unerträglich. Auf den Widerstand der Bewohner_innen folgte ein Großpolizeieinsatz. Auch in ein Unterfranken wurden nun 600 Bewohner_innen einer Sammelunterkunft unter Quarantäne gestellt, nachdem 7 Bewohner_innen und ein_e Mitarbeiter_in positiv getestest wurden, wie die Tagesschau am 29.03.2020 berichtete. Unter solchen Bedinungen ist der Schutz für die eigene Gesundheit unmöglich. Das ist nur möglich, wenn alle Menschen die weiter in Sammelunterkünften festgehalten werden sofort Zugang zu dezentraler Unterbringung bekommen. Die Antwort auf die unerträgliche Lage darf nicht Repression sein, sondern eine sofortige Schließung der Lager und eine dezentrale Unterbringung! https://taz.de/Schutz-vor-Corona-fuer-Gefluechtete/!5672076/

Während Portugal es vor macht, dass es möglich ist, einfach alle Menschen die aktuell auf dem eigenen Staatsgebiet leben als Bewohner_innen zu behandeln und ihnen auf dieser Grundlage zu einem gleichberechtigten Gesundheitssystem zu gewähren (https://www.reuters.com/article/us-health-coronavirus-portugal/portugal-to-treat-migrants-as-residents-during-coronavirus-crisis-idUSKBN21F0N7), bleibt in Deutschland das Gesundheitssystem ein Vielklassensystem. Allen Menschen die in Deutschland leben muss der Zugang zu dem regulären Krankenkassensystem, mit voller Behandlungssicherheit für alle, gewährleistet werden – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, ob sie inhaftiert wurden oder in Sammelunterkünften leben: gerade jetzt, aber auch nach der Corona Pandemie.

In der Krise zeigt sich, wessen Leben als schützenswert angesehen wird und wessen Rechte mit Füßen getreten werden. Es scheint plötzlich möglich, nicht mehr an der schwarzen Null festzuhalten und beträchtliche Mengen an Hilfzahlung in die Wirtschaft zu pumpen, doch das Recht auf ein menschenwürdiges Leben für alle ist scheinbar nicht möglich.
Dem entgegenen wir unsere Solidarität mit allen Entrechteten und Eingesperrten!
Knäste und alle anderen Massenunterbringungseinrichtungen müssen geschlossen werden und es muss den Menschen die Möglichkeit gegeben werden, anders untergebracht zu sein! Die medizinische Versorgung muss sichergestellt werden, egal welchen (legalen) Status jemand hat! Bedingungsloses Grundeinkommen für Alle statt Hilfen für Banken!


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